Katzen im Regen – Biologische Grundlagen, Verhalten und Ausnahmen
Einleitung: Regenwetter und Katzen – passt das zusammen?
Viele Katzenhalter beobachten es täglich: Kaum setzt Regen ein, ziehen sich ihre Katzen zurück – weg von Fenster, Tür oder Ausgang. Regen scheint für viele Katzen eine Art natürliches Warnsignal zu sein. Doch warum eigentlich?
In diesem Artikel beleuchten wir die biologischen, verhaltenspsychologischen und evolutionären Hintergründe dieses Phänomens – und erklären, warum es dennoch Katzenrassen gibt, die Regen nicht nur tolerieren, sondern sogar genießen.

„Obwohl Hauskatzen (Felis catus) anatomisch in der Lage sind zu schwimmen, meiden sie Wasser im Allgemeinen aufgrund von Stressreaktionen, die durch nasses Fell, veränderte Sinneseindrücke und den Verlust der Wärmeregulierung ausgelöst werden. Ausnahmen treten bei bestimmten Rassen mit genetischer Veranlagung oder positiven frühen Wassererfahrungen auf.“ — Turner & Bateson, 2014, The Domestic Cat: The Biology of Its Behaviour
Die biologischen Gründe für die Wasserabneigung vieler Katzen
Die weit verbreitete Abneigung von Hauskatzen gegenüber Wasser – insbesondere Regen – hat mehrere tiefgreifende biologische Ursachen, die auf Evolution, Anatomie, Thermoregulation und sensorische Wahrnehmung zurückgehen. Diese Faktoren wirken einzeln und im Zusammenspiel und erklären, warum viele Katzen Nässe konsequent vermeiden.
Evolutionäre Herkunft aus trockenen Lebensräumen
Die domestizierte Hauskatze (Felis catus) stammt nach heutiger genetischer Forschung überwiegend von der afrikanischen Wildkatze (Felis lybica) ab (Driscoll et al., 2007). Diese lebt in ariden bis semiariden Regionen Nordafrikas und Vorderasiens, wo Niederschläge selten sind und größere Wasserflächen kaum eine Rolle spielen. Die dortigen klimatischen Bedingungen führten über Jahrtausende zu einer Spezialisierung auf trockene Lebensräume – Wasser musste gemieden, nicht überwunden werden
Diese ökologische Nische erklärt, warum kein Selektionsdruck zur Entwicklung wasserabweisender Fellstrukturen, ausgeprägter Schwimmfähigkeit oder positiver Wasserassoziation bestand. Dieses evolutionäre Erbe prägt noch heute das Verhalten unserer Hauskatzen – trotz Domestikation.
Fellstruktur und Thermoregulation
Das Fell der meisten Hauskatzen ist fein, dicht und nur bedingt wasserabweisend. Bei Nässe saugt es sich schnell voll und liegt schwer auf der Haut. Anders als bei aquatisch angepassten Arten wie Ottern oder Wasservögeln fehlt eine isolierende Luftschicht im Fell. Dadurch kann die Körpertemperatur rasch sinken, besonders bei Wind und Kälte.
Diese schlechte Wärmeisolation wird von Katzen als unangenehm und potenziell gefährlich empfunden. Entsprechend vermeiden sie Situationen, in denen das Fell durchnässt werden könnte – sei es durch Regen, Schnee oder stehende Gewässer.
Sensorische Störung durch Wasser
Katzen besitzen ein hochsensibles sensorisches System, das ihnen eine außergewöhnlich feine Wahrnehmung ihrer Umwelt ermöglicht. Der Geruchssinn ist mit ca. 200 Millionen Riechzellen (zum Vergleich: der Mensch hat etwa 5 Millionen) hochentwickelt. Nässe kann jedoch die chemischen Reize auf der Riechschleimhaut verändern oder überlagern, was die Orientierung und das Wohlbefinden einschränkt.
Auch die Tastfunktion der Schnurrhaare (Vibrissen) und die feine Wahrnehmung von Luftbewegungen können durch feuchte Bedingungen gestört werden. Regen verursacht darüber hinaus laute, unregelmäßige Geräusche, die Katzen oft als bedrohlich oder desorientierend empfinden. In Summe bedeutet Wasser also einen Verlust von Kontrolle über ihre Sinneswelt – ein Zustand, den Katzen in der Regel instinktiv meiden.
Verlust des Territorialgeruchs
Katzen markieren ihr Revier nicht nur mit sichtbaren Kratzspuren, sondern auch durch Duftstoffe aus ihren Gesichtsdrüsen (Pheromone). Diese chemischen Signale sind jedoch nicht wasserfest – bei Regen werden sie abgewaschen oder stark abgeschwächt. Für territorial orientierte Tiere bedeutet dies eine Verunsicherung der eigenen Sicherheitszone, was zusätzlichen Stress verursachen kann.
Rassen mit anderer Beziehung zum Wasser
Trotz dieser generellen Tendenz gibt es katzenrassespezifische Unterschiede, die auf Zuchtgeschichte oder Herkunftsregion zurückgehen. Einige Rassen zeigen ein auffällig wasserfreundliches Verhalten – nicht nur in Bezug auf Regen, sondern auch beim Schwimmen oder Planschen:
Türkisch Van: Ursprünglich aus der Van-Region in der Osttürkei, nahe des Van-Sees. Diese Rasse ist bekannt für ihre Affinität zum Wasser. Berichte über schwimmfreudige Türkisch-Vans sind zahlreich, auch wenn systematische Studien dazu fehlen.
Maine Coon: Als robuste Waldkatze mit langem, leicht wasserabweisendem Fell ausgestattet. Ursprünglich aus dem nordöstlichen Nordamerika – einer feuchten, regenreichen Region. Viele Maine Coons zeigen Gelassenheit gegenüber Nässe.
Bengal: Ein Hybrid aus Hauskatze und Asiatischer Leopardkatze (Prionailurus bengalensis), die in der Wildform Flüsse überquert und schwimmen kann. Bengals zeigen häufig ein verspieltes, neugieriges Verhalten gegenüber Wasser.
Norwegische Waldkatze: Mit dichter Unterwolle und wasserabweisendem Deckhaar ausgestattet, kommt diese Rasse aus einem nassen, kühlen Klima. Sie wird häufig bei Regen oder Schnee draußen beobachtet.
Hinweis: Verhaltensunterschiede innerhalb einer Rasse sind oft größer als zwischen Rassen. Erfahrungen, Sozialisierung und individuelle Prägung spielen eine zentrale Rolle (Vitale et al., 2019).
Können Katzen schwimmen? – Anatomie, Instinkt und Realität
Die kurze Antwort lautet: Ja, Katzen können grundsätzlich schwimmen. Die längere und interessantere Antwort liegt in der Frage, warum sie es fast nie freiwillig tun – und wie sie es im Notfall dennoch effektiv können.
Anatomische Voraussetzungen
Katzen besitzen eine Körperstruktur, die das Schwimmen prinzipiell ermöglicht. Dazu gehören:
-
kräftige Hinterläufe, die rhythmische Schubbewegungen erzeugen können,
-
eine ausbalancierte Rumpfmuskulatur, die den Körper an der Wasseroberfläche hält,
-
und eine hohe motorische Koordinationsfähigkeit, die kontrollierte Bewegungen auch in instabiler Umgebung zulässt.
Zudem sind Katzen sehr gelenkige Tiere mit einem ausgezeichneten Gleichgewichtssinn – eine wichtige Voraussetzung, um sich auch in unbekannten Situationen wie Wasserflächen orientieren zu können.
Verhalten in Notlagen
Viele dokumentierte Fälle zeigen: Katzen, die ungewollt ins Wasser fallen (z. B. in Pools, Teiche oder Badewannen), reagieren instinktiv mit Schwimmbewegungen und steuern zielsicher ein Ufer oder einen Rand an. In solchen Situationen zeigen sie:
-
rudernde Vorderbeine mit seitlicher Ausrichtung,
-
eine aufrechte Kopfhaltung über der Wasseroberfläche,
-
und einen klaren Fluchtfokus – möglichst schnell raus aus dem Wasser.
Das Verhalten ist nicht trainiert, sondern instinktiv verankert, ähnlich wie bei vielen anderen Säugetieren. Diese Fähigkeit hat vermutlich evolutionär überdauert, obwohl sie in der natürlichen Lebensumgebung kaum gebraucht wurde.
Aber: Stress statt Spiel
Trotz der physiologischen Fähigkeit ist das emotionale Erleben für die Katze oft negativ. Studien zeigen, dass ungeplante Wasserkontakte erhöhte Stressparameter auslösen:
-
Erhöhung von Kortisol (Stresshormon) im Blut (Landsberg et al., 2013),
-
typische Flucht- und Vermeidungsverhalten,
-
und bei wiederholten Wassererlebnissen Anzeichen von erlernter Abneigung.
Wasser wird also nicht als natürliches Medium wahrgenommen, sondern als unberechenbares, unangenehmes Element – besonders wenn Temperatur, Geruch und Geräuschkulisse als fremd oder bedrohlich empfunden werden.
Unterschiede durch Prägung und Rasse
Einige Katzenrassen oder Einzeltiere, die früh positive Erfahrungen mit Wasser gemacht haben, zeigen deutlich weniger Scheu. Besonders Rassen wie die Türkisch Van, Bengal oder Maine Coon (siehe oben) werden häufig beim freiwilligen Planschen oder sogar Schwimmen beobachtet.
Entscheidend ist dabei die Habituation: Katzen, die als Kitten regelmäßig in kontrollierter Umgebung mit Wasser in Kontakt kamen (z. B. beim Spielen im Waschbecken oder mit Tropfen im Garten), zeigen später oft eine höhere Toleranzschwelle gegenüber Nässe.
Dennoch bleibt Wasser – für die allermeisten Katzen – ein Ausnahmemedium, das nicht freiwillig betreten wird, sondern nur dann, wenn es nicht vermeidbar ist.
Fazit:
Katzen sind rein biologisch zum Schwimmen in der Lage, auch wenn sie diese Fähigkeit in der Regel nur im Notfall einsetzen. Ihre ausgeprägte Abneigung gegenüber Wasser ist weniger eine Frage der Möglichkeit, sondern des Wohlbefindens und der Stressvermeidung.
Freigängerkatzen im Regen – Verhalten und Betreuung
Freigängerkatzen reagieren sehr individuell auf Regenwetter. Manche kommen sofort zurück ins Haus, andere suchen geschützte Stellen im Garten oder bleiben unbeeindruckt draußen.
Für die Betreuung – insbesondere durch Katzensitter – ergeben sich daraus folgende Aspekte:
-
Verstecke bereitstellen: Wetterschutz-Boxen oder zugängliche Gartenhütten
-
Sanftes Abtrocknen nach Rückkehr: Besonders bei älteren oder kranken Katzen wichtig
-
Wärmequellen und Rückzugsplätze drinnen anbieten
-
Nassfutter zimmerwarm servieren, um Verdauungsprobleme zu vermeiden
Auch die Spiel- und Aktivitätsbedürfnisse ändern sich bei Regen – viele Katzen sind dann ruhiger und suchen Nähe oder Beschäftigung im Haus.
Fazit: Wasser und Katze – ein komplexes Verhältnis
Die generelle Abneigung gegenüber Regen hat bei Hauskatzen tiefsitzende biologische Ursachen. Dennoch zeigen einige Rassen und Individuen erstaunliche Ausnahmen – sei es durch genetische Disposition, Zuchtgeschichte oder Erziehung.
Katzen können schwimmen. Sie tun es nur selten freiwillig. Und wenn sie Regen meiden, ist das kein Zeichen von Schwäche – sondern von instinktiver Intelligenz
Quellenverzeichnis:
-
Driscoll, C.A. et al. (2007). The Near Eastern Origin of Cat Domestication. Science, 317(5837), 519–523.
-
Turner, D.C., & Bateson, P. (2014). The Domestic Cat: The Biology of Its Behaviour (3rd ed.). Cambridge University Press.
-
Vitale, K.R., Behnke, A.C., & Udell, M.A. (2019). Attachment bonds between domestic cats and humans. Current Biology, 29(18), R864–R865.
-
Landsberg, G., Hunthausen, W., & Ackerman, L. (2013). Behavior Problems of the Dog and Cat. Saunders Elsevier.